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Die Monotonie umarmen – warum Laufen mehr Ehrlichkeit braucht
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Die Monotonie umarmen – warum Laufen mehr Ehrlichkeit braucht

Der Marathon hat eine magische Anziehungskraft auf Läufer*innen. 42,195 Kilometer zu rennen, tut weh. Warum macht man das? Wir haben zwei Community Runner begleitet – und dabei Wichtiges gelernt.

Words: Agata Strausa
Video: Marta Robles und Tim Kalkkuhl
Photos: Florian Kurrasch

Dieser Artikel und die dazugehörige Kurz-Doku wurden in Zusammenarbeit mit New Balance produziert.

Jedes Rennen ist nur der Höhepunkt einer langen Reise

Wer einen Marathon nicht nur schaffen, sondern erfolgreich beenden will, muss sich gut vorbereiten. Das heißt vor allem: viel laufen. Über Wochen und Monate. Neben den lockeren Läufen stehen Long Runs, Intervalltrainings und Tempoeinheiten auf dem Programm. Natürlich macht das nicht immer Spaß. “Wenn Laufen immer leicht fällt, macht man etwas falsch”, hat mal ein bekannter Läufer gesagt. Wie schafft man es da, das ganze Training auch mental durchzuziehen? más hat die beiden Community Runner Andrea und Thami gefragt. Beide sind in Berlin den Marathon gelaufen und haben einen persönlichen Einblick in die Höhen und Tiefen ihrer Laufleidenschaft gegeben.

Die Herausforderung des Marathons - und das innere Ringen mit sich selbst macht für Thami den Reiz am Marathon aus. “Ich laufe Marathon nie mit Musik”, sagt der Südafrikaner, der in Wien wohnt. “Ich will den Moment spüren, ich will den Lauf spüren, auch wenn es wehtut." Ohne Ablenkung durch Musik könne er am besten mit sich selbst kommunizieren. “Wenn die Beine müde sind, suche ich nach Wegen, mich da selbst rauszuholen, anstatt mich nur von einer externen Quelle wie Musik ablenken zu lassen. Es wird irgendwann immer hart. Du musst dich pushen, ob im Training oder Wettkampf: ‘Letzte Wiederholung, los geht’s! Kilometer 38, los geht’s!’”

“Beim Wettkampf kommen wir alle zusammen”

“Wir trainieren alle ein bisschen anders”, sagt Thami, der in Wien wohnt und Mitglied des Vienna Running Collective ist. Laufen ist eine individuelle Sportart, jeder habe so seine eigene Trainingsroutine, so Thami. “Aber beim Wettkampf kommen wir alle zusammen." Beim Berlin Marathon habe er einfach zwei Starter neben sich angesprochen und sie nach ihrer Zielzeit gefragt. Schon hatte er eine kleine Gruppe zum Mitlaufen gefunden. Nach dem Rennen sind Läufer*innen aber dann doch wieder mit sich selber beschäftigt. Thami habe sich erstmal mit zwei Bananen, ein bisschen Studentenfutter und Trinken in die Sonne gelegt. “Ich wollte einfach nichts, aber auch gar nichts machen”, erinnert er sich. Nur ein bisschen essen, Elektrolyte zuführen und schlafen. Das habe er auch gemacht und 20 Minuten im Zielbereich in der Nachmittagssonne ein Nickerchen gemacht.

“Beim Marathon in Berlin hatte ich Situationen, bei denen in mir so eine Zufriedenheit aufgestiegen ist, dass mir die Tränen kamen”, erinnert sich Andrea. Das sei ihr etwa beim Start, am Anfang des Rennens und im Ziel so passiert. Im Ziel habe sie dann wirklich vor Freude weinen müssen, weil sie so glücklich darüber gewesen sei, es geschafft zu haben.

“Am eigenen Ziel zu scheitern möchte niemand”

Andrea, die in Köln mit dem Run Squad Cologne trainiert, war vor Berlin bereits zwei Marathons gelaufen. Bei den ersten Rennen sei sie schon die Woche davor nervös gewesen und habe unter Spannung gestanden. Zweifel wie “Schaffe ich mein eigenes Ziel?”, haben ihr wörtlich auf den Magen geschlagen, sodass sie kaum Appetit hatte, erinnert sie sich. Auch wenn einem niemand eine Zeit vorgebe, die man erreichen müsse: Der Gedanke, am eigenen Ziel zu scheitern, habe sie beschäftigt. Anders vor dem Berlin Marathon. Durch die gute Vorbereitung, die vielen schnellen Trainingsläufe - all das habe ihr Sicherheit gegeben, sodass sie mit Freude an den Marathon gehen konnte.

Sie habe auch vorher essen können - ein Zeichen, dass sie weniger nervös war als zuvor. Im Startblock habe sie aber eine Gewohnheit beibehalten: Sich mehrmals die Schuhe neu zu binden, damit sie fest und angenehm sitzen. Das sei so was wie ihr Vor-Start-Ritual, erzählt sie. Beim Marathon ist sie sogar nach dem Startschuss nochmal kurz an die Seite gegangen, um die Laufschuhe nachzujustieren: “Das ist so ein mentales Ding, aber der Schuh muss für den Lauf wirklich passen!”

Mehr Ehrlichkeit und Transparenz unter Läufer*innen

Noch etwas war diesmal anders in Andreas Vorbereitung auf den Marathon: Drei Wochen vor dem Start in Berlin ist sie die “New Balance Kö Meile” gelaufen, ein Mittelstreckenrennen mitten in der Marathonvorbereitung. “Das war eine relativ spontane Entscheidung”, sagt Andrea. Sie habe einen kleinen, schnellen Wettkampf einbauen wollen in die Vorbereitung, auch um nochmal das Wettkampfgefühl durchleben zu können. Die Anspannung vor dem Rennen, das Warm-up, den Startschuss erleben und im Wettkampf dann alles geben. Das habe ihr geholfen, im Vorfeld des Marathons eine Vorspannung für den Wettkampf aufzubauen.

Man gewöhnt sich nie an die Rennsituation

“Man gewöhnt sich nie an die Rennsituation”, sagt Andrea. “Es ist immer anders, es ist immer Grundspannung da, Nervosität, Freude, dieses Kribbeln beim Loslaufen." Allgemein werde in der Running Community eher wenig über Schwierigkeiten und Zweifel gesprochen, sagt Andrea. Man tausche sich zu wenig darüber aus, wie man mental damit umgeht und vor allem fehle es an Ehrlichkeit.

“Ich bin überzeugt, dass es bei den meisten beim Training die meiste Zeit gar nicht so gut läuft, aber darüber möchten dann doch nur die wenigsten reden, vor allem nicht online.” Gäbe es mehr Austausch über die negativen Aspekte, die alle durchleben, dann wäre das nicht so ein großes Tabu, glaubt Andrea. “Wir wissen alle, dass wir struggeln. Doch meistens wird nicht darüber geredet. Dabei würde es helfen zu wissen, dass es anderen auch so geht. Zu viele machen das nur mit sich aus.”

“Je mehr wir teilen, desto besser”, glaubt auch Thami. “Als Läufer*innen haben wir viel gemeinsam, aber wir teilen noch zu wenig von unseren Erfahrungen”, sagt er. Nach dem Berlin Marathon zum Beispiel, da habe er auf der offiziellen Afterparty die ganzen Profis getroffen, die wie alle anderen Teilnehmer*innen auch ihren Erfolg gefeiert haben. “Sie waren ganz locker drauf, total entspannt und selig, es geschafft zu haben”, erinnert sich Thami.

Die Eintönigkeit des Trainings durchbrechen

Vor jedem Marathonrennen liegen Wochen der Vorbereitung mit Höhen und Tiefen, bei Profis wie bei Community Runner wie Andrea und Thami. “Es gibt eigentlich kein großes Geheimnis, was Marathontraining angeht. Man muss halt viel Zeit investieren”, sagt Thami. Dieses Mal habe er versucht, noch mehr Kilometer zu rennen, um zu sehen, wie viel sein Körper aushalten kann. Außerdem habe er mehr schnelle Läufe eingefügt, weil er gemerkt habe, dass das seiner Form gut tut. Mit einem guten Freund, der auch begeisterter Läufer ist, habe er viele Trainings gemeinsam gemacht. “Außerdem habe ich mich diesmal nicht nur auf das konzentriert, was im Training passiert, sondern auch auf das, was ich danach mache”, sagt Thami. “Etwa, was Ernährung nach dem Training angeht. Da habe ich mich selber eingelesen und dann auf meinen Körper gehört, was er gerade braucht.”

Ein wichtiger Teil seien auch Sportmassagen gewesen, um die Regeneration zu verbessern. “Das empfehle ich allen Läufer*innen!”, sagt Thami. Das Training habe ihm so viel Freude bereitet, dass er vor dem Marathon gar keine Lust auf Tapering hatte. Am liebsten wäre Thami immer weiter gelaufen, anstatt vor dem Wettkampf Ruhepausen einzulegen. “Laufen hat mich irgendwann keine Motivation mehr im Alltag gekostet, es war eine Gewohnheit geworden.”

Auch für Andrea ist der Sport nicht nur Zweck, sondern auch etwas, dass ihr im täglichen Leben Kraft gibt. “Am Laufen mag ich am meisten die Ruhe, die ich dabei verspüre”, sagt Andrea. “Manchmal finde ich harte Intervalle besser als jeden lockeren Lauf. Da bin ich so mit mir selber beschäftigt, dass ich nicht über Arbeit nachdenke, welche Termine noch anstehen, oder ob ich noch Wäsche machen muss.”

Worüber Läufer*innen mehr reden müssten

Einfach loszulaufen, draußen zu sein und abzuschalten, sei ein schönes Gefühl. Manchmal habe sie aber auch keine Lust auf Training, auf die Belastung und das Schwitzen, gibt Andrea zu. Aber sie sagt auch: “Nach dem Laufen fühlt man sich trotzdem meistens viel besser!” Sie sei ruhiger, ausgeglichener, wenn sie sich vorher angestrengt habe. “Manchmal will man einfach nicht los - und das ist okay”, findet sie. Dann helfe es ihr, an das Gefühl danach zu denken. Das würde sich Andrea auch von anderen Läufer*innen wünschen, dass sie es ehrlich ansprechen, wenn man mal keine Lust hat.

Es sei wichtig, dass man es ausspreche und auch mal sagen könne: “Ich hab heute keinen Bock!” Dabei ginge es nicht darum, nur über Probleme zu reden, sodass es einen runterziehe, so Andrea. Vielmehr ginge es darum, über alle Aspekte des Sports zu reden, nicht nur die positiven.

“Manchmal kann Training auf dem Papier super aussehen, es hat sich aber in Wirklichkeit total schlimm angefühlt”, so Andrea. “Da würde ich mir wünschen, dass mehr darüber geredet wird.” Es gäbe sowieso keine Garantie, dass der Input im Training dem Output im Wettkampf entspreche, sagt Thami. Er habe sich von dem Druck befreit, ein bestimmtes Ergebnis am Wettkampftag erreichen zu wollen, sondern akzeptiere jedes Resultat als ein Zwischenergebnis. “Solange man laufen kann, geht es immer weiter. Irgendwann klappt es schon.”

Denn jeder Lauf bringt neue Erfahrungen mit sich. In der Vorbereitung und im Wettkampf stehen alle Läufer*innen früher oder später vor ähnlichen Herausforderungen. Die eigenen Erfahrungen oder die Berichte von anderen Läufer*innen helfen, diese zu meistern. Das Wichtigste dabei ist: es muss sich richtig für einen selbst anfühlen: Run Your Way.

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