Ich konnte noch nicht zeigen, was ich wirklich kann
Wir treffen Profi-Läuferin Christina Hering auf einem Kaffee in Berlin-Mitte. Dabei spricht der 800-Meter-Star über Scheidewege, Neuanfänge und verrät, wobei sie sich so richtig frei fühlt.
más: Hast du heute schon Sport gemacht?
Fischi: Ich war auf dem Fahrrad! Ich mache gern die easy Einheiten auf dem Rad. Für die Grundlage kann man das auch so machen, finde ich! Ich hab mittlerweile auch, ganz geil, ein Rennrad mit Rolle.
Du bist 17-malige Deutsche Meisterin, hast seit über 10 Jahren kein internationales Leichtathletik-Highlight verpasst. Nun hast du dein gewohntes Umfeld in München verlassen und bist in die Hauptstadt gezogen. Wie kommt’s?
Ich habe immer noch Leidenschaft für den Sport. Aber ich habe gemerkt, ich brauche jetzt eine Standortveränderung, ein neues Umfeld. So ist es nun gekommen, dass ich in Berlin bin. Neuer Trainer, neue Gruppe. Ganz neuer Trainingsansatz: Viel mehr Kraft, viel mehr Schnelligkeit.
Und auch neue Ziele…
Ich glaube, dass über 800 Meter für mich auf jeden Fall noch etwas geht. Ich würde mich auch freuen, in der 4x400-Meter-Staffel zu laufen. Im Nachwuchsbereich und bei der Team EM bin ich dort bereits mitgelaufen. Das wäre richtig cool, wenn das klappt - neben dem 800-Meter-Einzelwettkampf. Ich glaube, dass ich meine Bestzeiten über 400m und 800m angreifen kann.
Seit 2012 machst du so richtig Leistungssport, aber wie kamst du zum Laufen? Dein Papa war ja Basketballer?!
Ich glaube, dass ich das sportliche Talent bestimmt ein bisschen von ihm habe. Ich war einfach ganz klassisch auf der Suche nach einem Sport und bin mit meinen Klassenkameraden mitgegangen. Als wir dann das Sportabzeichen gemacht haben, ist mir aufgefallen, dass mir das, was beim Laufen gefordert wird, sehr leicht fiel. Mir ist auch früh aufgefallen, dass ich mich gerne im Wettkampf messe - und dass es mir echt Spaß macht, mich zu verbessern. 2013 hatte ich dann meinen ersten Einsatz in der Nationalmannschaft, das war schon sehr special.
Jetzt trainierst du bei Sven Buggel, zusammen mit 400-Meter-Profis wie Alica Schmidt. Da ist der Fokus jetzt ja wieder mehr auf Sprint?
Ich bin da wirklich die einzige Läuferin! Bis jetzt klappt es aber ganz gut. Klar, muss ich manche Einheiten oder das Einlaufen und Auslaufen alleine machen - aber es macht Spaß. Eine Trainingsgruppe zu haben, mit der man viel Zeit verbringt, hat es mir einfach gemacht, in Berlin anzukommen.
EM Finale vor heimischem Publikum: Wie hat sich das angefühlt?
Das war wirklich super krass, da war ich schon voll im Fokus. Bei Flutlicht sehen die Stadien noch imposanter aus. Ich erinnere mich an die zwei Momente: Einmal, als ich im Stadion vorgestellt wurde. Und dann der Startschuss. Wie laut es plötzlich war!
Was war der schönste Moment deiner bisherigen Karriere?
Ich habe rückblickend bemerkt, dass dieses ganze Jahr ganz schön viel Kraft gekostet hat. Ich habe viel für das Event gemacht, wurde als Local Hero begleitet, habe viele PR-Termine mitgemacht. So hatte ich auch ein bisschen das Gefühl, dass ich Teil des Events bin. Mir war es sehr wichtig, dass alles funktioniert, auch für andere Athleten. Es war für mich eine sehr intensive Woche, aber auch sehr schön, mein Münchner Umfeld um mich zu haben.
“Ich konnte noch nicht zeigen, was ich wirklich kann.”
- Christina Hering
Wie ging es nach München für dich weiter, abgesehen von Off-Season und Urlaub?
Ich habe bewusst gesagt, dass ich länger raus bin, mir ein bisschen länger Zeit nehme, um das zu verarbeiten. Irgendwann musste ich mich aber damit beschäftigen, wie es weitergeht. Eine Option war damals auch, aufzuhören. Einfach weil es ganz schön gewesen wäre, mit einem Highlight aufzuhören - und selber die Entscheidung treffen zu können. Aufhören war dann doch relativ schnell vom Tisch, ich habe gemerkt, dass ich noch richtig Lust habe!
Dann war Berlin ja noch gar nicht lange auf dem Plan!
Nein, nein! Ich wollte mich bis Mitte Oktober entscheiden. Ich habe dann mit meinen Trainern gesprochen, natürlich auch mit einigen Freunden. Mein Schritt nach Berlin zu gehen, hat dann doch sehr viele überrascht, da ich schon sehr mit München verwoben bin. Ich brauchte aber einfach eine andere Trainingsstätte.
Zehn Jahre bist du extrem konstant gelaufen. Jetzt nach der EM in München bist du immer noch hungrig. Wie hältst du deine Motivation hoch?
Meine Hauptmotivation ist, dass ich noch nicht das zeigen konnte, was ich kann. Als Leistungssportler hat man irgendwie das Problem, dass man nie wirklich zufrieden ist. Seit zehn Jahren ist es ein bisschen wie im Hamsterrad. Der Jahresablauf ist immer gleich. Was mir sehr geholfen hat, ist das tolle Umfeld. Spaß, eine angenehme Atmosphäre - das hat mir alles geholfen. Es ist sehr wichtig, auf seinen Körper zu hören. Es bringt einfach nichts, mit Schmerzen zu laufen.
Cool, zum Abschluss hab ich noch drei random fragen für dich: Was wäre dein Beruf, wenn du nicht Profi-Läuferin geworden wärst?
Nach dem Sport würde ich gern in den Bereich Personalentwicklung gehen. Ich habe im Bachelor Sport und im Master Management gemacht. Im letzten Jahr habe ich eine Weiterbildung im Bereich Training, Change und Coaching gemacht. Da sehe ich mich auch, da sehe ich auch die Parallelen im Sport. Bevor ich aber Leistungssportlerin geworden bin, wollte ich Ärztin werden. Dann hätte ich wohl Medizin studiert.
Wie sieht ein optimaler Urlaub für dich aus?
Ich bin die letzten Sommer jeweils eine Woche gesegelt. Ich bin einfach super gerne am Wasser und im Wasser, vor allem am Meer. Ich habe schon als Kind einen Segelschein gemacht. Für mich ist das die absolute Entspannung, auf einem Boot im Meer zu sein.
Hast du schon ein Lieblingsrestaurant in Berlin?
Ich bin gerade viel am Ausprobieren. Umami fand ich zum Beispiel sehr gut, das ist Vietnamesisch. Babel fand ich auch richtig gut, das ist in der Kastanienallee. Dort gibt es tolle Platten und Falafel. Ich bin aber auch ein großer Fan von Pasta, das ist schon sehr hoch im Kurs. Das mach ich dann aber meistens selbst zu Hause, da schmeckt’s am besten. Selber kochen macht mir eben auch Spaß.
Danke für das lockere Gespräch!