Creators in Running: Riley Wolff
Wir haben mit dem in Melbourne lebenden Fotografen Riley Wolff gesprochen. Von seiner frühen Neugier für Kameras bis zum Aufbau des “Tempo” Journals erzählt Riley nicht nur von einigen seiner Lieblingsarbeiten, sondern auch von den Geschichten und Leidenschaften, die dahinter stecken.
Words: Sven Rudolph
Photos: Riley Wolff
Editor's note: In unserer neuesten Serie “Creators in Running” möchten wir die Geschichten und die Kreativität talentierter Menschen beleuchten, die die Essenz des Laufens einfangen und so dazu beitragen, den Sport zu verändern. Die Serie soll die Verbindung zwischen Kunst und der Laufszene aufzeigen und aufstrebende Content Creator inspirieren.
Durch seine Tätigkeit als Fotograf, Autor und Kommentator ist Riley Wolff im letzten Jahrzehnt zu einer zentralen Figur in der Lauf-Community geworden. Seine Leidenschaft für den Sport und seine Bewunderung für die Athletinnen und Athleten haben ihn dazu gebracht, nicht nur ihre großen Momente festzuhalten, sondern auch ihre inspirierenden Geschichten zu erzählen. Rileys Reise in der Laufwelt begann um 2015 herum, als er das Gefühl hatte, dass der Laufsport in den Medien nicht angemessen dargestellt wurde. Um das zu ändern, ließ er den Radsport vermehrt hinter sich und konzentrierte sich mehr auf die Lauf-Fotografie. Ein Bereich, der seiner Meinung nach reif für Veränderung und tiefgreifendes Storytelling war.
Nach einem mutigen Karriereschritt hat Riley das Tempo Journal, eine Plattform, die die Berichterstattung über den Laufsport revolutionieren sollte, mitgegründet. In diesen frühen Tagen bei Tempo konnte er viel experimentieren und seiner Kreativität freien Lauf lassen. Über die Jahre verfeinerte Riley seinen einzigartigen Stil, lernte, wie man authentisch mit Sportlern umgeht, und baute eine Plattform auf, die bei Sportlern und Enthusiasten gleichermaßen Anklang fand. Heute ist Riley nicht nur ein Fotograf, sondern auch ein Storyteller, der die Schönheit und den Geist des Laufsports mit seiner Kamera und seinen Worten festhält.
más: Wie bist du zur Fotografie gekommen?
Riley: Mein Interesse an Fotografie begann bereits in meiner Kindheit mit Kameras - von Einwegkameras bis hin zu Polaroids. Als ich älter wurde und es mir leisten konnte, kaufte ich mir eine kleine Digitalkamera und begann mich ernsthaft mit Fotografie zu beschäftigen. Meine Reise in die Lauf-Fotografie begann etwas später, etwa 2015-2016, als ich bemerkte, dass mein kreativer Ansatz in der Laufwelt nicht weit verbreitet war. Dies hat mich dazu inspiriert, noch mehr Laufveranstaltungen zu fotografieren. Kurz darauf hatte ich die Möglichkeit, bei Tempo, einem aufregenden neuen Projekt, mitzuwirken. Am ersten Tag hatten wir nichts weiter als eine sechsseitige PowerPoint-Präsentation und die Mission, etwas völlig Neues aufzubauen. Ich war so begeistert, dass ich dafür sogar meinen Job gekündigt habe.
Der Boston-Marathon 2018 durch den Zaun
Der Boston-Marathon 2018 war ein Wendepunkt für mich. Ohne Presseausweis fand ich mich hinter einem Zaun wieder und wartete stundenlang im strömenden Regen, um den perfekten Augenblick einzufangen. Die Erfahrung in Boston war mehr als nur das Dokumentieren des Marathons; es hat mir gezeigt, dass Entschlossenheit und besondere Perspektiven einen Unterschied machen. Der anschließende Erfolg der Fotos auf Tempo, die über Nacht mehr als 100.000 Aufrufe hatten, bestätigten, wie wichtig leidenschaftliches Storytelling in der Fotografie ist.
Gab es einen besonderen Moment, in dem du das Gefühl hattest, dass deine Arbeit einen Einfluss auf die Lauf-Community hatte?
Ja, das war ziemlich früh nach dem Start von Tempo. Mein erster großer Einsatz war in einem Höhentrainingslager mit unseren Olympia-Läufern (Anm.d.Red. Profi-Läuferinnen und Läufer für Australien). Zunächst war ich der Außenseiter, der stillschweigend Fotos machte und nicht viel mit den anderen interagierte. Ich erinnere mich, dass wir in den Bergen waren, mitten im Nirgendwo, und ich meine Fotos machte und dabei hörte, wie diese professionellen Läufer miteinander sprachen und sich fragten, "Wer ist dieser Typ?" oder "Was macht er hier?". Etwa einen Monat später, als Tempo u.a. mit den Inhalten, die ich dort aufgenommen hatte, live ging, änderte sich die Wahrnehmung der Athleten. Sie fingen an, mich zu erkennen und begrüßten mich bei ihren Trainingseinheiten. Das war ein wichtiger Moment, um Vertrauen und Akzeptanz in der Lauf-Community zu gewinnen.
Vertrauen und Authentizität bei Elite-Athleten gewinnen
Als ich Elite-Athleten wie Brett Robinson und Steve McSweyn fotografisch begleiten durfte, konnte ich Vertrauen zu ihnen aufbauen. Da ich Zugang zu ihren Trainings habe, kann ich ihre authentische Art in ihrer natürlichen Umgebung dokumentieren. Diese Bilder sind vielleicht nicht immer "großartig" im herkömmlichen Sinne, aber ihr Wert liegt in der Ehrlichkeit und dem Respekt, den sie vermitteln. Es geht nicht nur darum, die Athleten gut aussehen zu lassen, sondern auch darum, ihre echte Hingabe zu zeigen und ihr Vertrauen zu gewinnen.
Wie hast du dich in der Fotografie entwickelt?
Im Laufe der Jahre bin ich viel kritischer geworden. Mein Hintergrund im Radsport hat meine Herangehensweise an die Lauf-Fotografie beeinflusst. Ich erinnere mich, dass ich mich mit Kollegen herausgefordert habe, Radrennen zu fotografieren, ohne die Räder zu zeigen, und stattdessen auf den Gesichtsausdruck und den Oberkörper der Athleten zu konzentrieren. Diese Erfahrung hat mir geholfen, die Lauf-Fotografie mit anderen Augen zu sehen. Jetzt fotografiere ich oft von der Hüfte aufwärts und konzentriere mich darauf, die echten Emotionen einzufangen, nicht nur die Action.
Ein intimer Blick auf Äthiopiens legendären Trainer in Bekoji
Meine Reise nach Äthiopien im Jahr 2018 bot mir die außergewöhnliche Gelegenheit, einen renommierten Trainer, der Legenden wie Kenenisa Bekele und die Dibaba-Schwestern trainiert hat, in der bescheidenen Umgebung von Bekoji zu fotografieren. Diese Erfahrung inmitten der lokalen Feldwege, umgeben von Wildtieren, hat es mir ermöglicht, die Essenz der reinen sportlichen Hingabe und den tiefgreifenden Einfluss eines einzelnen Trainers auf zahlreiche Champions einzufangen.
Welche Herausforderungen musstest du meistern, um dich in der Welt der Lauf-Fotografie zu etablieren?
Ich denke, dass die Herausforderungen immer dieselben sind. Viele junge Fotografen, einschließlich mir, fotografieren am Anfang oft umsonst. Das ist ein zweischneidiges Schwert. Es ist eine Möglichkeit, Aufmerksamkeit zu erregen, aber es kann auch dazu führen, dass die Arbeit unterbewertet wird. Als Fotografen müssen wir uns gegenseitig unterstützen und die Standards der Branche aufrechterhalten. Erfolg in diesem Bereich ist nicht nur eine Frage des Könnens, sondern auch des Aufbaus von Vertrauen bei führenden Marken, der pünktlichen Lieferung von hochwertiger Arbeit und der richtigen Mischung aus Professionalität und Spaß an der Arbeit.
Was fehlt deiner Meinung nach oft bei der Fotografie von Laufveranstaltungen?
Ich glaube, die spannendsten Geschichten bei einem Rennen spielen sich nach dem Zieleinlauf ab. Während viele versuchen, den Moment des Zieleinlaufs festzuhalten, interessiert mich mehr, was danach passiert - die Reaktionen der Athleten, sei es Freude, Tränen oder Erschöpfung. Diese echten Emotionen erzählen die wahren Geschichte, jenseits des klischeehaften Zielfotos.
Hinter der Ziellinie: Lopez Lomong's Siegesrunde
Dieses Foto verkörpert die Essenz meiner fotografischen Philosophie - Momente hinter der Ziellinie einzufangen. Bei den US-Leichtathletik-Meisterschaften 2019 war ich Zeuge, als Lopez Lomong den Titel gewann. Ich habe das Buch von Lopez gelesen und bin ein großer Fan von ihm. Zu dieser Zeit drehte NBC auch eine Dokumentation über ihn, weshalb es strenge Richtlinien vor Ort gab. Trotzdem konnten mein Kollege und ich Lopez während seiner Siegesrunde folgen, was zu einer einzigartigen, hautnahen Perspektive seines Triumphs führte, die sich von den üblichen Finisher-Fotos unterscheidet. Dieser Moment zeigt, wie wichtig es ist, das Unerwartete zu erkennen und festzuhalten.
Womit fotografierst du?
Vor etwas zwei Jahren bin ich auf Sony umgestiegen und fotografiere zur Zeit mit einer Sony a7iii. Zu meiner Ausrüstung gehören zwei Sony G-Master-Objektive, das 24-70mm und das 70-200mm, sowie einige Sigma Art-Objektive, das 35mm und das 50mm f1.4. Die Klarheit und Tiefenschärfe sind fantastisch. Wenn ich mich jedoch für ein Objektiv entscheiden müsste, würde ich mich aufgrund seiner Vielseitigkeit und der Fähigkeit, atemberaubende Porträts mit unscharfem Hintergrund zu machen, für das 70-200mm-Objektiv entscheiden.
Welchen Rat würdest du aufstrebenden Fotograf:innen geben?
Das Wichtigste ist, sich daran zu erinnern, dass es keine Abkürzung zur Exzellenz gibt. Je mehr man fotografiert, desto besser wird man. Es ist wichtig, ein starkes Portfolio aufzubauen, indem man regelmäßig bei Lauf-Veranstaltungen vor Ort ist, Freunde fragt, sie beim Laufen fotografieren zu dürfen, oder bei Trainingseinheiten dabei zu sein. Und vor allem: hab keine Angst davor, andere Fotografen um Rat zu fragen. Ich wünschte, ich hätte damals andere Fotografen oder Freunde aktiver nach Hilfe und Unterstützung gefragt. Es ist auch in Ordnung, am Anfang den Stil von anderen zu imitieren - nichts ist völlig originell. Auf diese Weise kann man dann herausfinden, was einem gefällt, und mit der Zeit entwickelt man dann den eigenen Stil.
Riley, vielen Dank für das Gespräch!