Cross Country: Vom Underdog zur neuen Spannungsquelle im Laufsport?
Die Europameisterschaft in Brüssel hat mich verzaubert und gezeigt, dass Cross Country großes Potential für Spannung, Geschichten und Spektakel mitbringt. Trotzdem spielt die Disziplin in den meisten Ländern Europas kaum eine Rolle und ist für viele nur ein Lückenfüller zwischen den Saisons. Wie man das ändern könnte, lest ihr hier.
Words: Sven Rudolph
Photos: Florian Kurrasch
In meiner bisherigen “Laufkarriere” habe ich an zahlreichen Laufveranstaltungen teilgenommen und war zuletzt häufig als Zuschauer oder Reporter für más dabei. Doch selten habe ich eine derart gute Atmosphäre erlebt wie bei der Cross-EM in Brüssel. Angesichts der Begeisterung für Cross Country vor Ort stellt sich mir die Frage, warum solche Events nicht öfter stattfinden.
Vielleicht fehlt Cross Country aufgrund seiner Spezialisierung, der fehlenden finanziellen Unterstützung und der Tatsache, dass es nicht olympisch an Attraktivität für Athleten. Mit den gewonnenen Eindrücken der letzten Woche stelle ich mir jedoch vor, dass eine Neu-Ausrichtung von Cross Country und Track in Kombination funktionieren und die Disziplinen wieder konkurrenzfähiger gegenüber Straßen-Wettkämpfen machen könnte. Die erfolgreiche Teamdynamik und das Mitfiebern mit Athleten in den USA und auch bei der Cross-EM zeigen, dass eine ähnliche Struktur auch an anderen Orten erfolgreich sein kann.
“It's an experience that brings strength during winter and offers a refreshing break from the track.”
- Nick Griggs
In den vor Ort geführten Interviews waren sich alle einig: Cross Country ist gut und wichtig für den Sport. Fans genießen es, gemeinsam mit Freunden die Läufer anzufeuern. Trainer schätzen nicht nur die Stärkung des Teamgeists, sondern auch die Verbesserung der mentalen und physischen Stärke ihrer Athleten durch diese Disziplin. Und die Athleten selbst betrachten Cross Country als erfrischende Alternative zur Track und schätzen die Einfachheit dieser Sportart. Die Verschiebung des Fokus von Zeitmessung hin zur Positionierung wird als befreiend wahrgenommen und bringt eine andere Art von Erschöpfung und Freude mit sich.
“I like about cross country that it's not time based. So it's actually just about racing one on one and it's different every single time. You don't know what to expect.”
- Olivia Mason
Die Verbindung von Cross Country und Track für eine ganzjährige Serie
Die Etablierung von Cross-Rennen als eigenständige Events, für die sich sowohl Hobby- als auch Profi-Läufer gezielt vorbereiten und die ähnlich große Massen anziehen, wie es bei Marathons der Fall ist, mag utopisch klingen. Die Vorstellung einer kompletten Cross Country Saison mit dafür gebildeten professionellen Teams und einem eigenen Ligasystem, vergleichbar mit der Formel 1, dem Biathlon Worldcup oder der Triathlon Super League, klingt hingegen vielversprechender. Deshalb wird diese Idee auch bereits in zahlreichen Podcasts und Foren (z.B. Citiusmag, Coffeeclub oder Trackstaa) weltweit regelmäßig diskutiert. Doch auch hier sind zahlreiche Faktoren erforderlich, um dies umzusetzen.
“It's the rawest form of our sport, stripping away the technologies and focusing solely on racing and position. You can't beat it and it has a really freeing feeling for me.”
- Izzy Fry
Ein realistischer erster Schritt könnte darin bestehen, vorhandene Formate neu zu überdenken und neu zu gestalten. Man könnte Cross Country mit Track verbinden und so die verschiedenen Laufwelten miteinander verknüpfen. Die Vision wäre eine kontinuierliche Wertung mit definierten Wettkampf-Plan über das gesamte Jahr hinweg, bei der Hallen-Wettkämpfe, die Outdoor-Track-Saison und Cross Country fester Bestandteil sind. Die Tatsache, dass breiter aufgestellte Athleten und Teams bessere Siegeschancen haben, da ihre Leistungen über mehrere Veranstaltungen hinweg bewertet werden, könnte dabei zu intensiveren und spannenderen Wettbewerben führen.
Neues Format für mehr Wettbewerbsfähigkeit und Zuschauerinteresse
Auf Vereinsebene in Deutschland oder auf europäischer Bühne könnte eine kontinuierliche Jahreswertung mit entsprechenden Budgets und Prämien eingeführt werden, um Anreize zu schaffen, damit Athleten auch Cross Country Rennen bestreiten und Punkte für Team- oder individuellen Erfolg sammeln. Die Integration verschiedener Lauf-Disziplinen in ein übergeordnetes Wettkampfformat würde die Relevanz der einzelnen Disziplinen steigern, eine Verbindung zwischen den unterschiedlichen Saisons schaffen und die Vorteile eines Serien-Formats mit sich bringen.
“Cross Country ist einfach brutal ehrlich. Für niemanden ist es einfach und deswegen macht es auf der einen Seite richtig Spaß, auf der anderen Seite tut es halt richtig weh.”
- Max Thorwirth
So könnte man Athleten und Teams motivieren, an diesen Rennen teilzunehmen und der Serien-Charakter würde für Kontinuität und Wiedererkennbarkeit sorgen. Diese Eigenschaften könnte wiederum das Zuschauerinteresse steigern, da es mehr Gelegenheiten gibt, an mehreren Ereignissen teilzunehmen oder diese zu verfolgen und sich mit einzelnen Athleten oder Teams zu identifizieren. Mehr Zuschauer und ein größeres Interesse wäre wiederum spannend für Sponsoren und Medien, die dabei stärker eingebunden werden können.
Definitiv eine Aufgabe mit vielen Herausforderungen, aber mit mindestens genauso viel Potential, im Laufsport etwas zu verändern und mit den richtigen Leuten durchaus zu meistern. Wenn jemand Feedback, Ideen oder Lust hat, weiter über das Thema zu diskutieren: schreibt mir gerne eine Nachricht!
Bis zum nächsten Mal!
Sven Rudolph // @rrrudolph