Fabiane Meyer über Rückschläge und geniale Tricks für die letzten Kilometer
Mittelstrecken-Profi Fabiane Meyer ist seit einer Woche wieder voll im Training. Beim Panel-Talk in Berlin blickt sie zurück auf ihre Saison, bei der sie auch mit Enttäuschungen umgehen musste. Dabei verrät sie auch, wie man seinen Kopf überlistet, weiterzulaufen, wenn es richtig hart wird.
Words: Agata Strausa
Photos: Marvin Reim
Im Gespräch mit OAC-Athletin Fabiane Meyer
Isla Coffee, Berlin-Neukölln. Fabiane Meyer hat ihr Zuhause in Deutschland hinter sich gelassen, um als Profiläuferin im “On Athletics Club (OAC)” in Sankt Moritz in der Schweiz und der Höhe in Südafrika zu trainieren. Mit dem einzigartigen Team aus Profiläufern bereist die 20-Jährige für Wettkämpfe die ganze Welt und setzt alles daran, bei den Olympischen Spielen in Los Angeles 2028 über 1.500 Meter an den Start zu gehen.
más: Gerade hast du Saisonpause gemacht. Aber blicken wir noch einmal zurück: Wie war denn deine Laufsaison 2023?
Fabiane: Es fing eigentlich ganz gut an. In Regensburg bin ich die 800 Meter in neuer PB von 2:06 min gelaufen. Bei der “On Paris Track Night” bin ich dann eine Meile gelaufen, das lief nicht so, wie ich gedacht hatte, auch wenn das Event super cool war. Ich glaube, es war alles zu stressig. Bei der Deutschen U23 wollte ich unbedingt gewinnen, bin aber dann Zweite geworden.
Ein großes Highlight kam dann ja noch…
… genau, die U23-Europameisterschaft in Espoo, Finnland. Da bin ich leider im Vorlauf rausgeflogen, weil ich auf den letzten 200 Metern gestürzt bin. Somit habe ich das Finale nicht erreicht - da hatte ich echt schon sehr große Hoffnung auf eine Top-Drei-Platzierung. Ein Höhepunkt folgte dann aber noch mit der Universiade in Chengdu, China. Das war echt richtig toll. China war ein Highlight, einfach weil man da so viele verschiedene Leute aus der ganzen Welt getroffen hat. Ich bin vorher noch nie gegen Läuferinnen aus China oder etwa Australien gelaufen. Das hat sich schon so ein bisschen angefühlt wie Olympia. Nach China wollte ich noch ein paar Wettkämpfe laufen, aber dann habe ich leider Corona bekommen. Dann war die Saison für mich vorbei.
Klingt nach vielen Auf und Abs! Da können sich andere Läufer sicher auch sehr gut hineinversetzen. Man trainiert und trainiert, hat die Form seines Lebens und dann kommt doch irgendwas dazwischen.
Für mich war die U23-EM aber auch ein Highlight, obwohl ich dort gestürzt bin. Dort habe ich am meisten gelernt, nämlich dass Tiefpunkte zum Sport dazugehören. Man kann in einem Moment wirklich alles haben - und im nächsten Moment kann alles kaputt gehen. Man kann daraus auch sehr viel Motivation schöpfen.
"Man kann aus Tiefpunkten sehr viel Motivation schöpfen.”
Wie bist du damit umgegangen?
Ich kann mich noch genau erinnern. Nach dem Vorlauf bin ich von der Bahn runter und war wirklich im Schockzustand. Es lief absolut nicht so, wie ich es mir gedacht hätte. Dann kam ein Trainer auf mich zu. Er meinte: “Du kannst das jetzt nutzen als Motivation und daraus lernen, dass dir das nicht nochmal passiert. Oder du lässt dich von dem, was passiert ist, komplett herunterziehen.” Da habe ich gedacht, okay, ich werde das jetzt einfach mitnehmen und daraus lernen und den Fehler nicht nochmal machen.
Wie ist das, Teil eines Profi-Laufteams zu sein? Welche Unterstützung erfährst du denn von deiner Gruppe beim OAC?
Wir sind jetzt mittlerweile zwölf Athleten aus ganz Europa, die alle das gleiche Ziel haben: Olympische Spiele, entweder 2024 oder 2028. Wir werden alle von On gesponsert und haben alle den selben Trainer, alle den gleichen Physio, alle den gleichen Mental-Coach. Wir trainieren in Sankt Moritz in der Schweiz und in Südafrika in Dullstroom. Wir sind eigentlich die meiste Zeit zusammen. Zum Team gehören Athleten im Alter zwischen 18 und 26 Jahren, manche mit mehr Erfahrung, manche mit weniger. Wir werden trotzdem gleich behandelt. Jeder hat Ziele und Träume. On gibt uns einfach diese Chance, diese Ziele zu erreichen.
Klingt ein bisschen wie das Laufen in einer Running-Crew, nur natürlich auf einem viel höheren Level. Man teilt eine Leidenschaft, kann sich immer wieder gegenseitig pushen und Erfahrungen austauschen…
Ja, genau! Das Zusammenleben in unserem Team ist sehr cool. Wir essen zusammen, wir gehen zur gleichen Zeit schlafen. Wir trainieren vor allem zusammen - wir verbringen den ganzen Tag zusammen und unternehmen auch viel außerhalb des Sports. Es ist wie eine Familie: Jeder von uns ist mehr oder weniger weit von zu Hause weg und jeder trainiert hart. Jeder hat dieselben Probleme. Man versucht, sich immer weiter zu verbessern, weil man seine Träume erreichen möchte. Seitdem ich beim OAC bin, ist mein Training auch viel strukturierter und allgemein professioneller geworden.
Man kennt es vielleicht: Auch in einer Familie gibt es mal Krach. Habt ihr denn manchmal auch Stress unter euch?
Bei uns ist die Dynamik im Team sehr gut. Unser Trainer Thomas Dreißigacker achtet auch darauf, dass die Leute, die er ins Team holt, mit uns harmonieren. Er macht sie da viele Gedanken drüber, glaube ich. So funktioniert es auch wirklich gut, wir kommen sehr gut miteinander aus. Wenn es mal Probleme geben sollte, dann geht es eher darum, wer mit Kochen dran ist oder mal was aufräumen soll. Das sind aber nur Kleinigkeiten. Große Konflikte gab es noch nie und ich glaube auch nicht, dass es sie in der Zukunft geben wird. Wir können im Team miteinander über alles reden und sind füreinander da.
Sponsoren, Trainer, Trainingskollegen: Der Druck, der auf euch lastet, muss enorm sein. Wie gehst du damit um?
Die Erwartungen, die man an sich selbst stellt, sind die höchsten. Man ist irgendwie nie so richtig zufrieden mit der Zeit, die man läuft. Man erhofft sich immer mehr und will auch die Leute um sich herum stolz machen. Der Druck ist schon hoch. Wir haben zum Glück auch einen Mental-Coach an der Seite, dem wir uns anvertrauen können. Der gibt uns wirklich hilfreiche Tipps und Ratschläge, wie wir damit umgehen können. Druck kann aber auch nicht immer nur etwas Negatives sein, das gehört zum Sport dazu.
"Druck ist nichts Negatives. Das gehört zum Sport dazu.”
Welchen Tipp hast du denn für Läufer, egal, ob sie jetzt die Meile oder Marathon laufen? Was könnte man sich etwa bei Kilometer 39 im Marathon sagen?
So kurz vor dem Ziel kann man eigentlich sowieso nicht mehr so viel denken. Da tut alles weh. Mir hilft es immer, wenn ich zähle, also eins, zwei, eins, zwei, eins, zwei…
Oder wenn ich irgendwie ein Lied im Kopf habe und mich einfach ablenke und gar nicht daran denke, dass mir dies oder das weh tut. Es kann auch helfen, an das nach der Ziellinie zu denken, wenn der Wettkampf vorbei ist. Wie wird es sich anfühlen, wenn ich es geschafft habe?
Also Ablenkung und an etwas schönes Denken - das ist ein super Ratschlag! Danke für das Gespräch.