Meine Denkweise hat sich total verändert
Sie wollte schon immer Profisportlerin werden, aber nicht unbedingt im Laufen. Jetzt ist es Fabiane Meyer doch geworden - und zählt mit ihren 20 Jahren zu den großen Nachwuchsstars Deutschlands. Kurz vor ihrem nächsten Rennen in Paris spricht sie über Druck, Motivation - und was sie jeden Tag antreibt.
Words: Agata Strausa
Photos: Wesley Sarpong und @curatedforruners
Als 17-Jährige gewann Fabiane Meyer, Jahrgang 2002, den Deutschen U20-Meistertitel über 1.500 Meter. Seitdem ist im Leben der 20-Jährigen viel passiert. Nach einem kurzen Ausflug in den Collegesport in den USA hat sie sich dem On Athletics Club angeschlossen. Der OAC ist ein Team aus Profiläufer:innen, das vom ehemaligen deutschen Bundestrainer Thomas Dreißigacker trainiert wird.
2023 ist für Fabiane ein wichtiges Jahr, denn es stehen unter anderem U23-Europameisterschaften für das Nachwuchstalent an. Die Saison ist gut gestartet: In Karlsruhe lief sie über ihre Spezialstrecke 1.500 Meter mit 4:14,29 nah an ihre Bestzeit heran. Wenig später in Regensburg schraubte Fabiane ihre Bestzeit über 800 Meter nach unten auf 2:06,03. Kurz vor dem nächsten Rennen, der On Track Night in Paris, treffen wir Fabiane auf der Dachterasse des Athletenhotels in der französischen Hauptstadt. Wie ist es, als Profiläuferin seinen Traum zu leben?
más: Du bist jung, schnell, deutsche Meisterin und bestimmt Vorbild für viele andere Frauen. Gibt es eine Läuferin, die du besonders cool findest?
Fabiane Meyer: Faith Kipyegon. Ihr Weltrekord hat mich nochmal krass motiviert und es war total beeindruckend, wie sie es geschafft hat, diese 3:49 zu laufen. Deshalb würde ich sagen, dass Faith mein größtes Vorbild im Laufen ist.
Was war denn dein bisheriger adrenalingefülltester Moment im Sport?
Mein bester Moment war, als ich die Deutsche Meisterschaft U20 über 1.500 Meter gewonnen habe. Ich habe mich davor total gut gefühlt und wollte das unbedingt gewinnen. Dass ich da den ersten Platz gemacht habe, darauf bin ich wirklich stolz.
Hast du denn vor Rennen ein besonderes Ritual?
Ich habe mehrere Rituale. Zum Beispiel höre ich da aggressive Musik, Rap oder so. Und dann versuche ich, dass Thomas [Fabianes Trainer, Anm. der Red.] mir da ein bisschen Druck macht und ich in diese Stimmung reinkomme, dass ich ein bisschen aggressiv werde. Ich schaue mir auch Reels auf Instagram und Tiktok an, die mich pushen.
Hast du einen Lieblings-Rap-Song?
Auf jeden Fall eher englischen Rap! Aber es gibt eigentlich nicht den einen Song, der mich in die Stimmung bringt, sondern eher einen Mix aus allen.
Wie gehst du mit Erwartungen um?
Als Sportler hat man immer Erwartungen an sich selbst, aber auch Erwartungen von dem Trainer und allen anderen, wie den eigenen Teamkollegen. Du willst es dir ja selber beweisen, dass du es kannst. Aber du willst auch deine Leute um dich herum stolz machen, weil sie so viel Zeit und Energie in dich reinstecken. Und du verlangst natürlich, dass du das jetzt im Wettkampf abliefern kannst. Damit umzugehen, muss man lernen. Wir haben etwa auch einen Mental-Coach, der hilft, wie man in bestimmten Situationen mit Stress und Druck umgeht.
Was sagt man sich zum Beispiel in dem Moment, wenn es im Rennen hart wird?
Wenn ich im Rennen bin und nach 500 Metern denke ich, okay, jetzt wird es richtig anstrengend, dann hilft es mir zu zählen: 1,2,... oder ich sage mir selbst Motivationssprüche wie “Du kannst das!” oder “Du bist genauso gut wie die anderen!”
Was sind deine kurzfristigen und langfristigen Ziele?
Meine Ziele 2023 sind auf jeden Fall die Europameisterschaften der U23 in Finnland. Dann will ich die Deutsche Meisterschaft über 1.500 Meter in der U23 gewinnen. Und sonst ist da ja noch die Universiade in China, bei der ich mein Bestes geben will. Nächstes Jahr sind die Olympischen Spiele in Paris Olympia, da muss ich noch schauen, wie ich dieses Jahr laufe. Aber sonst auf jeden Fall Olympia 2028 in Los Angeles. Ich will jedes Jahr neue Bestzeiten laufen und stetig schneller werden. Jeden Tag ein besserer Athlet werden - und nie den Spaß verlieren.
Du bist dem Profi-Team von On (On Athletic Club Europe) beigetreten. Was war die größte Veränderung dabei?
Es ist alles viel professioneller geworden. Ich hatte zum Beispiel zum ersten Mal zweimal in der Woche Physiotherapie und habe mich richtig regeneriert. Einfach auch in diesem Team zu sein: Jeder spricht über den Sport und das motiviert. Es motiviert auch, wenn alle dir helfen, und etwa sagen, “du kannst noch in der Ernährung etwas verbessern”. Auch einen Mental-Coach hatte ich vorher nicht. Meine Denkweise über das Laufen hat sich total verändert.
Was ist denn deine Lieblingseinheit?
Auf jeden Fall kurze Distanzen. Diese Woche haben wir etwa noch 6 x 200m gemacht mit 45 Sekunden Trabpause und dann drei Minuten Pause und nochmal 6 x 200m. Diese schnellen Sachen, bei denen Laktat in die Beine schießen, wo man alles geben kann - die machen mir total Spaß.
Was für ein Coach ist Thomas Dreißigacker eigentlich?
Thomas fragt immer, wie du dich fühlst und stellt sicher, dass es dir gut geht und das Training gut läuft. Er erwartet aber auch, dass du gut vorbereitet bist: Dass du gut geschlafen hast, dich gut ernährt hast und erholt bist. Wenn es Probleme gibt, wenn man Schmerzen hat - dann ist Thomas immer da. Auch bei Problemen an der Uni oder persönlichen Problemen nimmt er Nachsicht.
Du warst eine Zeit lang am College in den USA. Warum war das nichts für dich?
Ich war drei Monate in den USA an der Clemson University in North Carolina. Ich denke, wäre ich ein bisschen älter gewesen - ich bin mit 17 rübergegangen - dann hätte es vielleicht funktionieren können. Ich habe aber gemerkt, dass mir das Training dort nicht so taugt. Wir hatten zum Beispiel dreimal die Woche Krafttraining und das hatte ich vorher in meinem Verein fast gar nicht. Da habe ich gemerkt, ich möchte den Sport wirklich professionell machen und habe bessere Möglichkeiten, wenn ich zurück nach Deutschland und ins On Team komme.
Wie bist du zu On gekommen?
Der erste Kontakt kam, als ich mir überlegt habe, ich möchte von den USA zurück nach Deutschland. Da habe ich mich mit einem Bundestrainer in Verbindung gesetzt und gefragt, wie es aussieht mit Sportförderung und Vereinswechsel. Aber schon in den USA hatte mich Niklas [Athletenmanager von On, Anm. der Red.] kontaktiert und vom Projekt erzählt. Das hörte sich cool an. Ich hatte mit Niklas und Thomas dann noch ein Zoom-Meeting und das lief auch richtig gut. Thomas kam dann auch zu mir nach Hause und hat mit meinen Eltern geredet. Ich hab mir gesagt, dass ist die beste Möglichkeit, wirklich das Maximum aus meinem Sport rauszuholen und dann war die Entscheidung ziemlich leicht.
Was ist das Beste am Leben als Profi?
Es gibt sehr, sehr viele gute Sachen! Ich hatte schon immer den Traum, Profisportler zu werden. Mir war es relativ egal, ob ich Profifußballerin werde oder Profikickboxerin oder eben Läuferin. Ich habe früher alle diese drei Sportarten gemacht, aber im Laufen hatte ich die meisten Möglichkeiten und dachte, da erreiche ich auch später etwas. Das hat mir auch am meisten Spaß gemacht. Die beste Sache ist vielleicht, dass ich jeden Tag trainieren kann, weil mir das am meisten Freude bereitet. Cool ist aber auch, viele neue Leute zu treffen, die deine Interessen teilen und die vielen Reisen, die man macht. Außerdem die vielen neuen Produkte, die man von On testet.
Wenn du eine Sache in der Leichtathletik verändern könntest, was wäre das?
Eine schwierige Frage. Ich denke, einfach den Sport den Zuschauern näherbringen, dass die Leute wirklich mitfühlen können. Dass es eine Nähe gibt zwischen Zuschauern und Athleten.
Mit wem würdest du gern laufen gehen?
Mit Sifan Hassan, weil sie als Person und Läuferin, genauso wie Faith Kipyegon, total beeindruckend ist. Ich glaube, wenn man sich mit ihr unterhält, kann man auch total viel lernen, was Mentales angeht. Mit ihr würde ich gern zehn Kilometer Dauerlauf machen.
Vielen Dank für das Gespräch!